Coronaler Urlaub auf Gran Canaria Dezember 2020
Vorwort:
Lange habe ich kein Tagebuch mehr geschrieben. Nun ist es mal wieder an der Zeit. Nach so vielen Jahren Korfu passierte nicht mehr soo viel Neues, bei AIDA pendelte es sich auch auf Kanaren ein und bei Velotrek blieb keine Zeit.
Nachdem ich schon im März aus Versehen in den spanischen Lockdown rutschte und so viel kurioses und skurriles passierte, habe ich beschlossen, von meinem 2. Corona-Urlaub auf Gran Canaria zu berichten.
Um nicht Schimpf und Schande zu ernten, erzählte ich von meinem Vorhaben nur meiner Freundin und meinem Chef. Warum wollte ich trotz Lockdown Light in Urlaub? Als Reiseleiter auf dem Trockenen, plagte mich schon lange das Fernweh. Seit August hatte ich nun als Fahrradverkäufer ohne Urlaub durchgehend gearbeitet und bei dem Boom der Radbranche so manche Überstunde gemacht. Nachdem meine Kollegen im Herbst ihren Urlaub genommen hatten, wollte ich, nach Besserung der Corona-Lage, eigentlich nach Griechenland, die Herbstsonne genießen. Da es sich bis November zog und dort die Bordsteine Ende Oktober hochgeklappt werden, liebäugelte ich mit Kreta. Aber dann kam plötzlich ein Lockdown in Griechenland. Dazu in Deutschland immer höhere Zahlen und Lockdown Light im November. So hoffte ich auf Dezember, aber ätsch, einen Monat Zugabe wurde verordnet.
Die Tage wurden immer kürzer, das Wetter immer grauer und kühler. Dem Wetter trotzte ich mit einem neuen Satz warmer Radkleidung, aber die Sehnsucht nach Wärme, Sonne, Licht, Erholung und freies Atmen blieb. Da meine Wetterfühligkeit auch immer schlimmer wurde, schwelgte ich in Erinnerungen mit Brummschädel. Meine Ex-Chefin von AIDA schrieb mich an, denn sie suchte für Präsentationen Kanaren-Bilder. Hä? Wie können die dort Kreuzfahrten machen? Spanien ist doch Risikogebiet! Ich schaute nach und siehe da, die Kanaren waren als autonomes Gebiet seit Ende Oktober nicht mehr aufgeführt. Strenge Regeln für die Einreise, aber sonst alles möglich.
Also einen spontanen Zeitplan erstellt: Einen super billigen Hinflug gesichtet, am Folgetag Chef um Urlaub gebeten, nach Genehmigung direkt einen Termin für einen schweineteuren PCR-Test gemacht, 2 Tage später den Test und dabei 70 km per Rad absolviert, 1 Tag später das negative Ergebnis erhalten, also schnell eine Unterkunft gebucht, nachmittags gepackt, abends alle Einreiseformulare ausgefüllt und nach kurzer Nacht am Nikolaustag den Flieger bestiegen, nach Ankunft in Las Palmas einen Rückflug gebucht und direkt danach ein Mietauto für den Aufenthalt klar gemacht und dabei den längsten Satz meines Lebens geschrieben. Der Satz war lang, die Planung umso spontaner, von Idee bis Abreise eine Woche. Alles immer step by step, denn der Test durfte maximal 72 Stunden alt sein und die Formulare max. 24 h vor Abflug ausgefüllt werden.
6.12. Bin ja durch den Tourismus Spontanität gewohnt, aber in diesen Zeiten wird Reisen auf völlig neue Füße gestellt. Keine Ahnung, wie das eine ganze Familie mit der Koordination schaffen soll. Also stand ich im menschenleeren hannoveraner Flughafen in der endlosen Schlange (wegen Abständen) und mir fielen 2 Personen auf. Danke an Frau Unbekannt und Melanie, denn die Damen haben mich zum Schreiben dieses Blogs bewogen.
Frau Unbekannt war sehr extravagant gekleidet und so auch ich Auftreten. Damit sie ihr Stirnband gut sitzend tragen konnte, passte die Maske nicht hinter die Ohren. Sie hatte den Lappen mit einer Gummibandverlängerung hinter den Kopf herum geführt, das Patent hielt aber keinen Meter und keinen Satz aus ihrem Mund, ohne zu rutschen. Ständig hing das Ding irgendwo, also immer mit der Hand das Teil hochgezuppelt und dann mit der Patschehand alles angelangt. Na da hat bei den Hygiene-Regeln wieder jemand super aufgepasst. Da sie zusammen mit ihrem Mann auf 5 Gepäckstücke kam und ich nichts Gutes ahnte, nahm ich die Schlange des anderen Counters. Aber dort stand Melanie. Ihren Namen kenne ich, da sie ständig alles falsch machte und von ihrem beleibten Mann per Namen jeweils zurecht gewiesen wurde. Frau Unbekannt machte dann mit Vorhersage ein Fass wegen ihrem Gepäck auf und die Damen am Check-In darauf auch Eins, wegen ihrem fehlenden Einreise-QR-Code. Zum Grinsen blieb aber kein Grund, denn Melanie hatte das mit dem Code auch nicht gebacken bekommen.
So stand Frau Unbekannt nun doch schneller an der Personenkontrolle. Ich ging zur Abstandhaltung erst einmal was Frühstücken und bei Rückkehr stellte ich erschrocken fest, wer vor mir den Durchgang bei der Bordkartenkontrolle verstopfte. Die Dame versuchte alles auf den Scanner zu legen, aber nur auf Zuruf „Melanie, du musst den Code auflegen“, löste sich der Stau auf. Da es keine Überholspur gab, stand ich somit auch hinter ihr an der Personenkontrolle. Kam sie durch? Richtig, natürlich nicht. Gürtel vergessen abzuschnallen und noch ein Sturmfeuerzeug im Handgepäck.
Kurz danach verstopften dann meine Spezialisten den Durchgang, da sie nach all dem Ärger alle gleichzeitig ein Rauchopfer bringen wollten und nur 2 Personen momentan in die Stinkekiste dürfen. Die Schlange vor der Rauchbox war fast länger als bei der Personenkontrolle, was mir die Zahl in den Kopf rief, dass momentan weltweit etwa doppelt so viel Menschen am Rauchen sterben, als an Corona, aber alle gestressten Melanies und deren Opfer munter weiter rauchen.
Egal, dafür hatte der Flieger mal weniger als 30 Minuten Verspätung. Warum eigentlich? Gingen am ganzen Tag in Hannover nur 6 Flüge und die Kiste stand auch schon 2 h vor Abflug bereit. Gehört anscheinend zum guten Ton.
Im Flughafen wie im Flieger herrscht momentan Maskenpflicht, wobei Tücher genauso verboten sind wie FFP-Sicherheitsmasken. Verstehe wer will, aber der Rentner gegenüber, der einen Anpfiff wegen einer Sicherheitsmaske bekam, wunderte sich auch schwer. Der Flug verlief dann sehr entspannt, bis auf meinen Toilettengang. Ich stehe an einem freien Platz, damit ich den Entgegenkommenden Platz machen kann, da will sich doch glatt Melanies Mann an mir vorbei schieben. Ich gab ihm aber ein Platzkärtchen mit der Nummer 4 für die Toilette und behauptete meiner Nummer 3.
Im fast menschenleeren Flughafen von Las Palmas erst einmal schnell einen schicken Renault Captur mit coolem blauen Glitzerlack gebucht und dann ab nach Castillo del Romeral. Nix mehr Nordseite der Insel. Die letzten beiden Male bin ich so mit dem Wetter reingefallen, dass ich nur noch auf der Südhalbinsel urlauben werde.
Das bestätigte sich auch gleich, am Flughafen leichter Regen, also nix wie ab ins Fischerdorf Castillo del Romeral. Und siehe da, dort schien die Sonne. Ich bezog ein kleines, einfaches Apartment bei Florian, einem deutschen Hoteldirektor, der seit 30 Jahren auf der Insel wohnt und hier die Ruhe vor seinen Touristen genießt. Im Dorf gibt es fast nur Einheimische und keine Touristenunterkünfte. So weit alles schön, nur ist hier die Windseite der Insel. Die Windsurfer freut das, die Windpark-Hersteller auch, aber ich musste feststellen, dass der Vermieter nicht bis nachts seine Waschmaschine laufen lässt, sondern das Geräusch von den Windrädern kommt. Da der Passat immer von einer Seite weht, habe ich wohl keine Chance, dass ich einen Tag die Teile nicht höre. Dazu ist das hier die Einflugschneise, aber momentan gibt es zum Glück für meine Ohren kaum Flüge.
7.12. Am Montag probierte ich dann aus, ob das Auto serpentinen- und bergtauglich ist. Und wie! Kräftiger Motor, etwas höherer Sitz und dadurch auch mehr Bodenfreiheit, was auf Holperpisten super ist. Ich fuhr nach Santa Lucia, um im Barranco Tirajana zu wandern. Im Norden war es mal wieder stürmisch und die Wolken hingen an den Bergen. Da ich hinter den großen Bergen mein Frühstück mit Wahnsinns-Aussicht in die Schlucht zu mir nahm, bekam ich von hinter so manchen Wassersprenkler und Windhauch ab. Aber dann ab in die Schlucht und nur noch Sonne. Ätsch! Ich kenne dich so langsam, du Insel! Mittelpunkt der Wanderung war die Fortaleza, eine senkrechte Felswand mit vielen Höhlen. Erst durch eine Höhle, dann einmal rund um das Massiv. In Spanien gilt überall in der Öffentlichkeit Maskenpflicht. In der Stadt trägt sie eigentlich jeder, aber teils auch in der Einöde, beim Joggen oder Radeln, alleine im Auto und vielleicht auch beim Schlafen? Ich will es gar nicht wissen. Manche nennen die Teile ja Maulkorb und den hätte ich mir mehrmals gewünscht. Für spanische Hunde, die frei laufen und ziemlich unfreundlich sind, wenn du übers Land läufst und Herrchen nicht gleich merkt, dass ihr Hundi Frischfleisch gewittert hat. Gerade wenn es sich um stabile Boxer-Pitbull-Promenaden handelt. Ich musste wieder so einige Male um meine weißen Waden bangen. Vielleicht lag es auch daran? So weiß waren die seit Jahren nicht mehr. So erkennt der Hund natürlich den Touristen in mir sofort. Nach Abschluss der schönen Tour ging es noch nach Aguimes, ein Bummel durch die alte Bischofsstadt machen. Dort wurde ich von 30 wilden Menschen mit meterlangen, spitzen Spießen begrüßt. Normal hätte ich Angst bekommen, aber ich kannte deren Sportart. „Salto de Pastor“, der Hirtensprung. Eine uralte Art der Fortbewegung im unwegsamen Gelände. Schade nur, dass sie schon fertig waren und nun zum Trinksport übergingen. Wo kamen nur all die Menschen her? Spanier, die freiwillig wandern (eine sogar im Nikolauskostüm mit Walking-Stöcken), im Barranco Dutzende Felskletterer und jetzt die Saltopastoren.
8.12. Am Dienstag ging dann ein langersehnter Wunsch in Erfüllung. Die Ostseite der Insel war wolkenfrei und so ging fuhr auf 1500 m Höhe, um zu wandern. Einen Rundweg, entlang der Caldera los Marteles, über den Kamm und dann hinein in den Barranco de Guayadeque. Ja, wieder ein Barranco, denn dort windet es nicht so sehr. Eine genialer Weg mit spektakulären Aussichten. Fast kein Mensch unterwegs und den ganzen Tag nur Sonne. Beim mühsamen Schlussanstieg kam ich dann noch an Mandelbäumen vorbei, die mitten in Vulkanasche standen und so was von üppig Mandeln trugen. Zu meiner Überraschung lagen auch hunderte von Mandeln fast unsichtbar in den ähnlich großen Ascheklumpen. Ich ging üppig sammeln, immer auf der Hut vor den großen Harzklumpen, die die Bäume absondern und wie Tretminen zwischen den Mandeln liegen.
Auf der Rückfahrt sah ich, dass die Wolken nur tief im Norden hingen, also fuhr ich über die höchsten Berge der Insel, genoss die Panoramen und Kurven sowie einen Kaffee wie am Vortag, wieder in Santa Lucia. Was waren da wieder an Menschen unterwegs! Auf 1900 m Höhe überall Spanier in den Kiefernwäldern, beim Picknick und Barbeque. Bei 8°C und arschkaltem Wind. Warum dort oben und nicht bei 20° am Strand? Ich blieb lieber im Auto und fuhr kopfschüttelnd an den Frostbeulen vorbei.
Ich war so verwundert, dass ich meinen Vermieter fragte, ob wegen Corona alle arbeitslos wären und Zeit hätten oder was der Grund sei? Es lag an 4 Feiertagen am Stück. Hatte nix mit Nikolaus zu tun, sondern mit der spanischen Verfassung und Befruchtung Marias. Nun verstand ich die Menschenaufläufe. Jedoch wurde hemmungslos in größeren Gruppen gefeiert und ich befürchte, dass dies die Corona-Zahlen nach oben treiben wird. Hier ist sie sehr niedrig, aber auf Teneriffa schon die ganze Zeit hoch und da die Regierungen die Kanaren immer als Ganzes betrachten, könnte das für mich auch noch Konsequenzen bedeuten. Im Moment genieße ich aber Urlaub und habe deswegen beschlossen, keine Nachrichten zu schauen. Das tut sehr gut.
9.12. Mittwoch, Zeit eine andere Sportart auszuüben. Ich fuhr ins Touristen-Moloch Playa de Ingles, um mir ein Fahrrad für die Folgetage zu reservieren. Am diesem Tag wollte ich aber noch das schlechte Wetter in den Bergen, lieber in den Dünen von Maspalomas aussitzen. Also erst einmal ein Promenaden-Spaziergang mit Maske. Kaum ein Tourist zu sehen, Feiertage vorbei, dafür umso mehr afrikanische Nippesverkäufer. Pro Tourist etwa 1 Verkäufer. Ganz schön lästig. Und ich hatte mal keine Kopfhörer dabei. Also ab in die Einsamkeit der Dünen. So herrlich den warmen Sand unter den Füßen zu spüren. Wie ein Kind über die Dünen hüpfen und am Ende im Wasser abspülen. Ich traute mich wirklich in den Atlantik. Der Warmduscher hatte erst Skepsis nach dem schön warmen Sand. Aber nach 10 Minuten Akklimatisierungs-Spaziergang an der Wasserkante, traute ich mich. 15 Minuten hielt ich es in den schönen Wellen aus, bis mein Gleichgewicht sagte, genug mit Vollwaschgang. Also ab in den Windschatten einer Düne und im Sand trocknen. Herrlich, bis der Wind auffrischte und mich begann zu panieren. Also nochmal Dünen- und Promenadenwanderung, dann schnell Reißaus nehmen vor einer deutschen Schlagersängerin in Ballermann-Manier. Es zogen auch dunkle Wolken auf, die die Sonne verdeckten, die zuvor eine schöne Corona umgab. So lass ich mir Corona gefallen. Schmunzeln muss ich jedes Mal, wenn irgendwo arglos weggeworfene Corona-Bierflaschen liegen oder jedes 2. Hotel in Playa de Ingles Corona im Namen stehen hat. Was schlimm ist: Überall weggeworfene Masken auf der Insel, die von dieser verrückten Zeit zeugen. In Deutschland im Grad der Umweltverschmutzung nur noch von Mc Donalds Müll übertroffen, aber Umweltschutz hat momentan leider keinen Stellenwert mehr.
10.12. Donnerstag, wieder ein Tag für neue Sportarten. Früh aufstehen war angesagt, denn ich hatte einiges vor. Was höre ich beim Aufwachen? Regen auf dem Dach. Ist doch nicht wahr. Aber! Ich bin im Süden. Der Schauer zog aufs Meer und die Berge waren auf dieser Seite klar. Yes! Also mit dem Auto ab nach Playa de Ingles und mein reserviertes Fahrrad abholen, dass ich gestern vor Ort klar gemacht hatte. Ein schönes Cannondale, super eingestellte Schaltung, keine Knackpunkte, perfekte SPD-Pedale. So ein gutes Leihrad hatte ich noch nicht, Hut ab „Free Motion!
Ich wollte mal meine Beine testen, die waren seit 2 Monaten fast nur E-Bike gewohnt. Konnten die überhaupt noch was? Ich hatte im Vorfeld einige Touren sondiert und entschied mich spontan nach den ersten gut laufenden Kilometern für die Heftigste. Geschätzt hatte ich 60 km bei 1300 Höhenmetern vor mir, das Ergebnis verrate ich erst später. Gestern hatte ich plötzlich ziemliche Probleme mit meiner Lunge. Entweder was algerisches aufs Essen oder zu viel Wind und Salzwasser. Ich hatte am Tag heftige Atemprobleme, in der Nacht und am Morgen immer noch etwas. Aber was soll ich sagen. Fahrrad fahren ist für mich einfach Medizin. Auf den einsamen Straßen konnte ich den Schleim unbemerkt loswerden und so schraubte ich mich immer höher. Als die Beine schwerer wurden, lenkte ich mich mich der grandiosen Landschaft ab. Ich bin einfach Barranco Fan. Diese spektakulären Schluchten. I love it! Bisher war ich nur mit Auto oder Füßen zusammen mit Stephanie 2017 in dieser Gegend. Diese Höhen nun per Rad zu erklimmen, einfach erhabend. Und was soll ich sagen? Heftig das schwere Pedelec durch die Gegend prügeln, hat einen guten Trainingseffekt. Ich konnte die Höhenmeter nur schätzen, da ich Hasenhirn mein Navi gut im Auto versteckt hatte. Ich dachte in stinkige Wanderschuhe guckt keiner, aber ich selbst beim Sportartenwechsel ebenso nicht. Also ließ ich mich per Handy-App rustikal leiten, konnte aber keine Höhenmeter sehen.
Anekdote am Rande: Am Morgen sah ich, dass neben meinen dreckigen Klamotten am Boden eine lecker Kakerlake weilte. Als ich sie mit einem Glas fing, stellte ich fest, dass sie völlig benommen war und nach dem Aussetzen auf der Straße hauchte sie ihr Leben ganz aus. Sie hatte einen großen Fehler begangen. Zu wenig Abstand zu meinen 2 Tage gebrauchten Wandersocken. So ein Pech! Welch grausamer Tod.
Zurück zu den Höhenmetern. Ich wusste, dass die höchste Stelle, das „Cruz Grande“ auf 1250 Höhenmetern liegt und dass meine ausgesuchte Straße am Meer bei Kilometer 32 anfing. Mein Kartenmaterial war sich auch uneinig, ob die Straße überhaupt durchgängig ist. Am Ende war ich völlig begeistert. Soooo eine geniale Tour. Auf der sonnen- und windabgewandten Seite der Insel nach oben schrauben, immer spektakulärere Ausblicke und Einblicke in die Barrancos. Irgendwann ging die Straße in einen Schotterweg über und wand sich spektakulär um einen Vulkankegel. Sehnsüchtig entdeckte ich dann den ersehnten Stausee, der jedoch weit unter mir lag. So gingen einige Höhenmeter verloren.
Am See kannte ich eine kleine Bar von vor 3 Jahren, aber leider hatte die geschlossen. So hieß es, das Wasser noch besser einteilen. Am Ende der 40 Kilometer Gesamtanstieg hatte ich immer noch keine Stelle zum Wasserfassen gefunden. Also runter nach Santa Lucia zu meinem diesjährigen Lieblingskaffeepunkt. Aber Pustekuchen, heute auch geschlossen. Grummel, wieder ein Stück zurück zu einem Lokal, dass teuer aussah. Die günstigen Lokale, in denen sich täglich die Einheimischen tummeln, liegen immer auf der Schattenseite. Da sitzen sie und frieren in Jacken, gegenüber ist T-Shirt in der Sonne angesagt und was soll ich sagen: Einen lecker Schokokuchen und den besten Kaffee, den ich bisher auf der Insel getrunken habe.
So ging es gut gestärkt in die Abfahrt. Ich verpasste ein Sträßchen und am Ende fuhr ich einfach meinen vorgestrigen Wanderweg von der Fortaleza zu Tale. Ganz schön ruppig, aber genial und menschenleer. Dann den ganzen Barranco Tirajana bis fast zum Meer. So ein Bachbett ist ganz schön steinig. In der Schlucht liegen eine große Ziegen- und eine Schaffarm. Die sind an Radler gewöhnt und blieben fotogen direkt neben mir stehen. Die Ziegen hatten viele Junge, man, war das ein Gemecker in hohen Tonlagen, klang fast nach Babyschreien. Und so putzig die Zicklein! Wenn da nur der strenge Geruch nicht wäre. Der wurde am Ende auch nicht besser. Die angezeigten Wege waren eigentlich nur Pfade durch Müllhalden zwischen den hunderten Windrädern. Ein furchtbarer Anblick dieser total zersiedelten Ecke der Insel. Wie schön waren dagegen die Berge. Als ich dann am Ziel meine Daten auswertete, waren es 80 Kilometer und 1700 Höhenmeter. Und das aus der buchstäblich „kalten Hose“. Rock ‘n’ Roll!
11.12. Freitag, 2. Radeltag. Um nicht die hässliche Umgebung und Landstraßen benutzen zu müssen, wollte ich das Fahrrad wieder über die Berge zurück nach Playa de Ingles bringen. Nicht ganz so viele Höhenmeter wie gestern, dafür noch autofreier. Die Umsetzung wurde ungeplant spektakulär. Ich fuhr am nächsten Supermarkt vorbei und wollte an der nächsten sonnigen, windstillen und ruhigen Ecke frühstücken. Theorie gut, aber die Umsetzung dauerte 10 km. Immerhin diesmal keine Müllhalde, aber Sahnestückchen waren zwischen den Windparks auch nicht zu erwarten. Nachdem Windräder und Autobahn außer Hörweite waren, plagte mich in nächsten Ort der Hunger. Hinter einer Hausecke standen mehrere Sitzgelegenheiten. Die nahm ich dankend an. Beim Essen sah ich erst die Mülltonnen vor der Aussicht und die Hundehaufen um mich herum. Da ich nix besseres erwartete, blieb ich. Bei der Weiterfahrt kam nach 200 m ein kleiner botanischer Garten. Den hätte ich nie in dem hässlichen Kaff erwartet.
Weiter ging es immer offroad bergan an der linken Flanke des Barranco de Tirajana. Ich winkte der Fortaleza und Orten der ersten Wanderung vom Montag. Bei herrlichem Wetter erreichte ich fast asphaltfrei San Bartolomé. Der ruppige Weg hatte aber ganz schön Körner gekostet, die in Form eines fetten Bocadillos wieder aufgefüllt wurden. Dann fast nur noch abwärts bis Fataga, bis die Idee entstand, die große Straße lieber wieder gegen autofreie Schotterpisten zu tauschen. Aufpassen musste ich, dass ich mit meinem Rudimentärrad nicht in Wanderwege einbog. Dann wohl ein Schlenker zu viel und ich driftete nach Westen ab. Luftlinie nur 2 km, aber zu Fahren etwa 15 km. Warum? Überall vor mir Schluchten. Also Schlucht rein bis zum Anschlag (meistens mit einer Staumauer begrenzt), raus bis zum Anschlag, um die Ecke und siehe da, ein neuer Barranco. So lief das Spiel 5x ab, immer belohnt mit genialen Landschaften und am Ende mit einem traumhaften Sträßchen abwärts bis Maspalomas. Höchste Herausforderung war es im Straßen- und Hotelgewirr die Bikestation zu finden. Kreuz und quer, Fahrrad Treppen runter tragen, argl, ich brauch Landschaft und keine Betonburgen, da finde ich mich nicht zurecht.
Am Ende war ich wieder schön ausgepowert, aber glücklich, waren meist über Stock und Stein 75 km mit 1500 Höhenmeter hinter mir und ein großes Abendessen in meinem Lieblingsrestaurant „Casa Mama Gata“ vor mir. Vor dem Abendessen hatte ich meine Stinkewäsche in die Waschmaschine gepackt und in Abwesenheit meiner Abwehrsocken fühlte sich die nächste Kakerlake im Wohnzimmer ziemlich wohl und lebendig. Sie wurde jedoch schnell auf die Straße umgesiedelt und so konnten tierfrei neue Wanderpläne geschmiedet werden.
12.12. Am Samstag war wieder wandern dran. Ich hatte 2 Routen im Kopf, wollte die Wolkenlage entscheiden lassen, welche es werden sollte. Da die Wolken tief hingen, fuhr ich hoch hinaus und hoffte, dass sich unter mir bleiben würden. Seit 2 Urlauben sah ich schon den Roque del Saucillo markant aufragend, aber in den beiden Frühjahren hingen nur die Wolken dort oben ab dem Mittag. Heute nicht! Ich parkte wieder oben an der Caldera los Marteles. Die erste Wanderroute existiere nur auf der Karte, ich irrte auf Fichtennadeln bergan und kam dann an eine alpin anmutende Ecke, die mich zum Umkehren zwang. Nach 30 Minuten Suche war ich dann auf dem richtigen Weg. Mit genialen Panoramen ging es mal wieder durch einen Barranco fast 1000 Höhenmeter nach unten. Wendepunkt auf etwa 1000 Höhenmetern und dann wieder 4-stellig nach oben. Ich hoffte auf weniger Glatteis, denn der Abstieg verlief fast nur im Schatten und der Weg erwies sich als sehr glitschig. Einmal kam ich auch etwas ins Rodeln. Kein Kratzer, aber mit einem Arm in Brennnesseln gelandet. Bisher hatte ich die noch nie auf den Kanaren gesehen und nun schredderte ich voll durch. Die brennen heftiger als die Deutschen, 8 h später zwiebelte mein Arm immer noch kräftig Und sogar am nächsten Tag noch!
Am tiefsten Punkt im Dörfchen Rincon hießt es Kehrtwende und gleich wieder bergauf. Plötzlich lagen auf der Erde überall Orangenschalen und leere Kaktusfeigen. Hänsel und Gretel auf den Kanaren? Dann hörte ich einen Jubler, der meiner Meinung nur von mitteleuropäischen Bergvölkern kommen konnte. Dann sah ich ihn und holte ihn ein, da er jubelnd die Aussicht genoss: Michael aus Augsburg. Er sprach mich auch direkt an, da er nicht alleine in seinem Business-Outfit zum nächsten Aussichtspunkt gehen wollte. Er weckte den Guide in mir, wir plauderten uns den steilen Berg hoch bis zur Aussicht.
Als ich mich verabschieden wollte, schaute er etwas respektvoll auf den steilen Abstieg und dann auf seine gelben Turnschuhe. Berghoch ging es damit viel besser und so machte ich ihm den Vorschlag, ganz mit nach oben zu gehen und ihn dann zu seinem Auto zu fahren. So wurde wild geplaudert, querfeldein den schon lange ersehnten Roque de Saucillo bestiegen und oben wieder herrlich gejubelt. Michael war gerade erst angekommen, wollte eigentlich nach Las Palmas an den Strand und stellte fest, dass dort Wolken sind und so fuhr er in die wolkenfreie Berge. Er ist auch so froh hier zu sein. Er fragte viel über mich und irgendwann weckte er den Reiseleiter in mir und ich erzählte ihm den ganzen restlichen Weg Geschichten über die Insel(n). Er wollte mich zu einem Kaffee am Endpunkt einladen, aber es war schon so spät, ich wollte noch im Hellen raus aus den Bergen. So fuhren wir im Konvoi nach Castillo del Romeral, futterten im gemütlichen „Casa Mama Gata“, dann fuhr Michael zu seinem Hotel und hoffte, am späten Abend noch einchecken zu können.
Am 13.12. kam von ihm die Nachricht, dass es funktioniert hatte und er jetzt in den Dünen von Maspalomas entspannen würde, er aber gerne nochmal mit auf Wanderschaft wolle.
Bei mir war erst einmal Umzug angesagt. Ich bedankte mich herzlich bei Florian und bummelte dann mit dem Auto die Küstenstraße entlang. Eine Runde Schwimmen in Maspalomas, dann ein Schläfchen in den Dünen, Käffchen in Arguineguin, wieder plantschen in Taurito und dann ab ins neue Domizil. Das Haus war mir schon vor 3 Jahren aufgefallen, so ein bisschen Villa Kunterbunt, vor einer älteren deutschen Dame geführt. Ein schöner Garten, nettes Personal, alles gut. Aber dann betrat ich das Zimmer. Vom Preis höchstens die Hälfte wert. Kahl, alt, schmuddelig. Unzählige Spinnen und deren Netze als Mitbewohner, unter der Mikrowelle Nudeln, Krümel und Bäh! Im abgetauten Gefrierfach Zwiebelreste, beim ersten Toilettengang fast von der lockeren Brille gefallen und dann im Bett Bekanntschaft mit den Sprungfedern der durchgelegenen Matratze gemacht. In der unbequemen Nacht dann Albträume, die Bude würde wegen einer durchgebrannten Sicherung brennen. Eigentlich wollte ich morgens umziehen, aber schon wieder Koffer packen? Also ging ich lieber früh aus dem Haus, um mit Michael zu wandern.
So gingen wir am 14.12. wieder wandern. Hoch hinaus in die Cumbre, dem Hauptmassiv. Erst überall blauer Himmel, dann am Start der Wanderung aufziehende Wolken und frischer Wind. Wir überlegten erst zurück in den Süden zu fahren, um dort den Tauro zu besteigen, dann probierten wir doch ein Stück, da ich Michael den Ausblick auf den Roque Bentayga gönnen wollte. Erst war er etwas in Wolken, dann riss es auf und wir wagten den Weg. Ein herrlicher Ausblick jagte den nächsten, in La Culata gab es lecker Käffchen mit Papaya-Kuchen, dann begann der steile Aufstieg zum Roque Nublo, der am Tag auch einmal komplett umrundet wurde. Ein Abstecher mit Poserfoto am „Nebelfels“ musste auch noch sein. Was sahen wir von dort: Zum Glück waren wir nicht zurück gefahren, am diesem Tag hingen die Wolken im Süden und der Tauro im Nebel. Verrückt! Dann Arisafari runter zum Parkplatz, denn es wurde schon wieder bald dunkel. Direkt zum Sonnenuntergang hatten wir die geniale Serpentinenstrecke gemeistert und mich zog es zum Hafen von Mogan, um eine lecker Pizza zu essen. Dort war ich schon vor 3 Jahren mit Stephanie. Pizza immer noch lecker, aber schon traurig zu sehen, wie wenige Gäste sich am Hafen tummeln, viele Lokale ganz geschlossen haben oder komplett leer sind. Florian erzählte mir die Tage, dass momentan 80 % der im Tourismus arbeitenden Canarios keinen Job haben. Wo soll das noch hinführen? Eine Woche ging es mir prima, denn ich schaute mir keine Nachrichten an. Nun erfuhr ich vom Lockdown in Deutschland ab 17.12. und meine Laune war dahin.
So kam ich am 15.12. etwas langsam aus dem Quark. Es wurde ein ruhiger Tag. Am Morgen kam der Hausmeister Motu („Here is Africa“) mit einer Gasflasche vorbei. Aha, jetzt bleibt die Küche nicht mehr kalt. Er fragte mich, ob alles ok sei („here in Africa“) und ich verneinte. Er bat mich zur Vermieterin zu gehen und bei Lila war was los. Ihre Familie ist über Europa verstreut und da hier kein Risikogebiet ist, überwintert ihre Schwägerin bei ihr und die Nichte kam mit Familie aus Italien. So war Stimmung unterm Dach, ich brachte meine Problemchen zur Sprache und da just die Putzfrau im Haus war, ging sie bei mir auf Spinnen- und Lebensmittelrestejagd. Dann kam der 2. Hausmeister und installierte einen neuen Klodeckel. Prima!
Nach einem Stadtspaziergang und Faulheitsschläfchen ging ich eine längere Runde an den Strand, traf dort die Oma und die Kinder, unterhielt mich mit der ehemaligen Lehrerin und spielte mit den Kleinen. So schön zu sehen, dass die Kinder, die im Frühjahr in Mailand 2 Monate eingesperrt waren, sich hier so schön austoben können.
Unglaubliches am Rande: Die Dame war Lehrerin für Naturwissenschaften und unterrichtete viele Jahre in einer Gesamtschule in Groß-Gerau. Wäre ich nicht in Mörfelden gewesen, hätte ich sie als Chemielehrerin gehabt. Witzig!
16.12. Rekordtag! Heute wollte ich mir einen Traum erfüllen, den ich schon seit 3 Jahren hatte. Mit dem Rad auf den höchsten Gipfel von Gran Canaria, den Pico de las Nieves mit 1949 Höhenmeter.
Erstes Hindernis: Die Zweigstellen des guten Verleihers von Playa de Ingles haben mangels Touristen alle Außenstellen geschlossen. Solides Material war vor Ort nicht aufzutreiben. Da ich mich fit fühlte und das Wetter auch endlich mitspielte (alle Versuche in früheren Urlauben fielen dem Regen zum Opfer), lieh ich mir einen Seelenverkäufer. Neuwert geschätzte 600 €, Zeitwert etwa 200 €, Selbstbeteiligung bei Diebstahl 750 €. Die Füchse. Dazu das Gerät vom Leihpreis teurer als mein Superrad von letzter Woche. So redete ich dem Fahrrad immer gut zu und hoffte, dass das Schaltwerk seinen Dienst auf der Tour nicht völlig quittierte.
Erst ging es unspektakulär bis Mogan, um dann in die GC605 einzubiegen, die genialste Serpentinenstrecke auf der Insel. 23 km ist sie lang, die Hälfte davon auf wirrsten Windungen und besten Aussichten. Yippiejeh!
Am Ende der Traumstraße erwartete ich Wassernachschub an bekannten Cafés. Aber Pustekuchen, alles dicht. Nur ein einsamer Rennradfahrer und einem einsamen Pfosten. Als ich fluchte, sprach er mich an und empfahl mir ein Lokal, ein paar hundert Meter in falscher Richtung. Als er erfuhr, dass ich nur Wasser fassen wollte, verschwand er im Laden und kam mit kühlem Nass zurück. Ich war erstaunt, sah er doch aus wie ein rastender Radler. Aber er stellte sich als Chef des Lokals vor, der momentan nur am Wochenende öffne und seine Tour unterbrach, da sich der Fischhändler angekündigt hatte, dieser aber schon eine Stunde Verspätung habe. Er wollte noch nicht einmal Geld für das Wasser und dies bei der momentanen finanziellen Lage. Nach vielfachem Dank ging es nun steil bergan bis zum Roque Nublo. Dann wellig durch die Kiefernwälder. Es wurde immer kälter, ich zog eine Schicht nacheinander an, denn kalte Muskeln wollen bei mir nicht mehr. Am Ende kämpfte ich gegen die innere Wutz, und der Schweinehund verlor! Ich wurde zwar den ganzen Aufstieg von Rennradfahrern überholt, aber die Kräfte waren gut eingeteilt und oben hatte ich im Rucksack mollig warme Kleidung, während die Rennradler in kurzen Sachen froren. Nach kurzem Gipfel-Foto-Shooting ging es die holprige Straße nach unten bis zum nächsten Café. Nach gegönnter Süßwarenaufnahme fuhr ich dann in einem Rutsch zu Tale und siehe da, auf den teils ruppigen Straßen überholte mich kein Rennradler mehr. Manchmal fürchtete ich etwas um meine Vorderradbremse, aber am Ende hielt das Radel durch und ich kam völlig happy nach 95 km und 2200 Höhenmetern im mollig warmen Puerto de Mogan an. Nach ordentlicher Säuberung (von mir, das Rad hatte kaum Staub gefressen) ab ins Porto-Alegre-Restaurant, lecker und billig Essen und zum Sieg einen Ron Miel trinken! Was ein genialer Tag! Andy happy!
Am 17.12. ging es mit Michael zur Abschluss-Wanderung. Wir trafen uns bei ihm fast vor der Haustür. Auf der Fahrt zu ihm, musste ich mir mal wieder Gedanken zu Corona machen. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum viele Menschen alleine mit Maske im Auto sitzen und noch viel mehr die Maske während der Fahrt unter ihr Kinn gezogen haben. Warum nehmen sie die nicht ab? Gerade unter dem Kinn zieht das soo hinter den Ohren. Halten das unsere Ohren aus oder werden die sich zu Segelohren verformen? Oder ist das bei Erwachsenen stabil genug? Aber was ist bei Kindern im Wachstum? Mit einer Spange wird auch über längere Zeit der Zahnstand verändert, geschieht das auch mit den Ohren, wenn ständig daran mit Gummis gezogen wird?
Aus meinen wirren Gedanken weckte mich ein bekanntes oranges Licht. Mein linker Hinterreifen wollte mal wieder Luft. Alle 3 Tage ist Nachpumpen angesagt. In Castillo war immer direkt eine Tankstelle auf dem Weg. Hier auch, aber die wollten unglaubliche 1 € für den Luftdruckprüfer. So fuhr ich bis Maspalomas und suchte mir einen, der nix kostet. Beim Einbiegen schob sich ein Auto schwungvoll rückwärts vor mich. Aber dann verebbte der Schwung. Mein Geduldstester des Tages stieg in Zeitlupe aus, dann erst einmal Studium des Gerätes, in Zeitlupe ums Auto zu jedem Reifen. Die Ventilkappe entfernen dauerte noch länger. Dann um das Auto wieder herum, den Luftdruck einstellen und so ging das weiter. Beim 3. Rad wurde dann noch ein Taschentuch ausgepackt und minutenlang irgend etwas akribisch abgewischt. Ich biss imaginär ins Lenkrad und machte dann die Augen zu, damit ich das Drama nicht mehr sah. Als ich die Augen öffnete, stieg er ins Auto, fuhr aber nicht los. Er holte seine Brieftasche und ging zum Losverkäufer der Weihnachtslotterie, der gerade vor der Tanke auftauchte. Das war zu viel! Ich stieg aus und machte ihm auf spanisch Beine. 2 Minuten später hatte ich endlich 0,6 bar mehr im Reifen, was der Anzeige genügte, nicht mehr zu blinken. Dafür blinkte fast mein Kopf, und zwar in rot, da eine Dame hinter mir schon im Auto gestikulierte, ich solle mich beeilen. So war ich unter einer Minute fertig, plus 15 Minuten von meinem netten, spanischen Rentner zuvor.
Dadurch kam ich nicht mehr zu früh zum Treffpunkt. 1 Minute nach mir fuhr Michael an mir vorbei. Statt auf mich, achtete er auf sein Navi, aber wildes Winken auf der Straße sah er schnell im Rückspiegel und drehte um. Heute machte er den Chauffeur, wir fuhren bis zur Staumauer in Ayagaures. Von dort erst ein gutes Stück den breiten Fahrweg, den ich letzte Woche zufällig beim Radeln entdeckte Wir babbelten uns die langweilige Strecke entlang, dann ging es wieder kräftig bergan durch die Botanik. Was uns den ganzen Weg irritierte: Auf unserem Weg befand sich dauerhaft eine Motorradspur. Entweder ein Könner oder ein Lebensmüder. Oben auf dem Bergkamm dann wieder tolle Aussichten und ein spannender Abstieg. Auf 4 Stunden Wanderung trafen wir genau 2 Menschen, natürlich Deutsche, die wir auf den Pfad der Tugend zurück holten und unsere Route empfahlen, da sie blauäugig einfach in die Berge gingen und von Entfernung und Sonnenstand keine Ahnung hatten.
Michael war etwas enttäuscht, da wir um 14 Uhr unsere Runde schon beendet hatten. Es waren trotzdem 11 km und 400 hm. Von den Kilometern nicht weniger als an den Vortagen, aber weniger Höhenmeter und nun eingelaufen und akklimatisiert. So kehrten wir noch gemütlich zu Papas Arrugadas ein (salzige Runzelkartoffeln mit Soßen, inklusive viel Knobi), fuhren anschließend zu Tale und verabschiedeten uns wehmütig. Denn für mich hieß es Koffer packen. Zuvor nutzte ich noch Helligkeit und Sonne aus, um eine Runde zu schwimmen. Die folgende Dusche fiel ziemlich kalt aus, gestern Rohrbruch im Haus, am Morgen Wäsche mit Mineralwasser und nun blieb die Dusche kalt, aber immerhin mit Wasser.
Zum Abschluss nochmal in ein gemütliches Lokal am Hafen und mit weinendem Auge einen Abschieds-Ron-Miel bei trauriger Musik eines Alleinunterhalters. Mundharmonika drückt bei mir immer die Stimmung, liegt wohl an den alten Western, die ich früher inhalierte. Morgen zurück in Kälte, Dunkelheit und Corona-Wahnsinn.
Abschied nehmen hieß es am 18.12.. Nach etwas unruhigem Schlaf packte ich meine Sachen, um dann nochmal eine kleine Runde zu schwimmen. Frisch am Morgen, dafür Fisch am Morgen. Die See war ruhig und außerhalb der Mole konnte ich schöne, bunte Fische beobachten. So schön abgelenkt, ging der dicke Fisch fast an den Haken. Über mir saß ein Angler, den ich wegen der Fischis erst im letzten Moment bemerkte. Mit einem „Perdon“ ging es dann zurück zum Strand. Schnell trocknen, duschen (heute wieder mit Wasser und sogar warm), frühstücken, verabschieden und dann nach Playa de Ingles. Dort schaute ich im Hotel von Florian vorbei, sagte ihm Tschüss und guckte mir die Zimmer an, futterte was und sah bei starkem Wind den Kitern zu. Es gab ein Rennen mit etwa 60 Teilnehmern. Was die übers Wasser bügelten, nix für mich Weichei.
Wehmütig ließ ich Strand und Wellen hinter mir, gab mein schönes, blaues Auto am Flughafen ab und begab mich in die Schlange. Ein bisschen zickte der Mann am Schalter, da ich Probleme mit dem Web-Check-in hatte und auch mein Koffer nicht in seinem System auftauchte. Ich zeigte ihm aber die Bestätigung auf meinem Telefon und dann konnte ich passieren. In der Abflughalle nix los, Flugzeug stand bereit und trotzdem 1 Stunde Verspätung, warum auch immer.
Freudigerweise blieben im Flieger beide Sitze neben mir frei für Bein-, Arm- und Corona-Freiheit.
Ich konnte noch ohne Komplikationen ausreisen, 2 Tage später sollten die Kanaren wieder zum Risikogebiet eingestuft werden, sehr zur Verzweiflung der Canarios. Der Tourismus geht dort so was den Bach runter und nun kommen auch viele Flüchtlinge dazu. Alle sind ziemlich verzweifelt.
Ich sehe nun auch dem deutschen Lockdown entgegen, welch Tristesse in der Weihnachtszeit. Also so viel wie möglich Sonne und Abenteuer mitnehmen.
Das war bisher der beste Kanaren-Urlaub. Die ganze Zeit trocken geblieben! Maximal bei Wolken und nie im kalten Nebel auf den Bergen. Perfekt! Dazu so viele geniale Wanderungen und Radtouren. Lang ersehnte Gipfel zu Fuß und Rad erklommen, Muskeln aufgebaut, etwas Fett abgebaut, Bräune und Glückshormone getankt. Das kann mir niemand mehr nehmen, auch wenn es viele Neider und Ankläger gibt.
Florian sagte heute noch, wenn einer kein Corona haben kann, dann bist du es. Privat im Einzelapartment gewohnt, alleine im Auto oder Rad unterwegs, beim Wandern maximal mit dem frisch getesteten Michael. Immer draußen und alleine am Tisch gegessen und jetzt noch 3 Sitze für mich im Flieger alleine.
Bleibt nur noch die Frage, ob der Flieger die Verspätung reinholt und ich den letzten Zug erwische oder auf dem Flughafen übernachte......
Nachtrag: Natürlich holte der Flieger nicht auf, was aber auch egal war, denn mein Zug wurde einfach gestrichen und so kam ich nicht weiter als zum Hauptbahnhof Hannover. Plan B sah so aus. Mit der S-Bahn nach Hildesheim und anschließend per Taxi für über 60€ nach Alfeld. Danke liebe Bahn!
2 Tage später wurden die Kanaren zum Risikogebiet erklärt, aber ich wurde schon zuvor als Risiko angesehen. Abgeflogen aus einer Region mit Inzidenz 25, wollte mich in Deutschland (Inzidenz Niedersachsen 110) trotzdem niemand haben. Mein Chef wollte einen negativen Test auf dem Schreibtisch. Das war jedoch in der Vorweihnachtszeit nicht möglich. Die Testzentren ausgebucht, die Ärzte überlastet und vor allem, wer will schon einen Gesunden ohne Risikogebiet und Kontakte testen? Niemand. So verlängerte ich meinen Urlaub bis nach Weihnachten und machte sozusagen Selbstquarantäne, da mich niemand mochte.